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„Osteoporose ist eine Volkskrankheit“

Osteoporose, auch Knochenschwund genannt, ist weit verbreitet:

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In Deutschland sind rund sieben Millionen Menschen von Osteoporose betroffen. Dabei werden die Knochen porös und brechen leichter. Wir haben mit Prof. Dr. med. Ulrich Liener, dem Ärztlichen Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Marienhospital in Stuttgart, über die Ursachen von Osteoporose, über Risikofaktoren und mögliche Behandlungsmethoden gesprochen.

Portrait von Prof. Dr. Liener

Prof. Dr. med. Ulrich Liener
Chefarzt

  • Ärztlicher Direktor der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sporttraumalotogie
  • Leiter des Endoprothetik-, Trauma- und Wirbelsäulenzentrums sowie des Zentrums für Alterstraumatologie
  • Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Spezielle Unfallchirurgie
  • Facharzt für Chirurgie

Herr Prof. Liener, den wenigsten dürfte bewusst sein, wie verbreitet Osteoporose ist. Kann man hier von einer Volkskrankheit sprechen?

Prof. Liener: Osteoporose ist auf jeden Fall eine Volkskrankheit. Denn Osteoporose und osteoporotische Frakturen sind in Deutschland häufiger als Fälle von Schlaganfall und Herzinfarkt. Etwa sieben Millionen Menschen sind hierzulande von Osteoporose betroffen. Im Vergleich dazu haben wir etwa 4,5 Millionen Diabeteskranke. Osteoporose ist genauso eine chronische Erkrankung wie Diabetes oder rheumatoide Arthritis. Das ist noch nicht so ganz angekommen im Bewusstsein der Menschen, aber das heißt, Osteoporose ist eine Erkrankung, die man lebenslang managen muss.  

Was ist das Problematische an Osteoporose? Wie gefährlich ist die Erkrankung?

Prof. Liener: Wir haben etwa 800.000 osteoporotische Frakturen pro Jahr, wobei Oberschenkelhals- und Oberschenkelbrüche die gefährlichsten Frakturen sind. Diese Frakturen sind der häufigste Grund für Krankenhauseinweisungen bei Frauen über 70 Jahren. Die Folgen sind gravierend: Von 150.000 Menschen mit Hüftfrakturen sterben 20 Prozent innerhalb eines Jahres und nach einem Jahr können 40 Prozent der Patienten noch nicht ohne Hilfsmittel gehen. Und 80 Prozent sind in alltäglichen Dingen eingeschränkt, das ist schon gewaltig.

Wer ist denn besonders von Osteoporose betroffen?

Prof. Liener: Von den rund sieben Millionen Betroffenen in Deutschland sind 5,5 Millionen Frauen und 1,5 Millionen Männer. Im Alter von etwa 30 Jahren hat ein Mensch die höchste Muskel- und Knochenmasse und die nimmt mit steigendem Alter kontinuierlich ab. Nach der Menopause findet ein schnellerer Knochenabbau statt, weil der Östrogenspiegel sinkt. Östrogen ist ein knochenschützendes Hormon, welches die knochenabbauenden Zellen hemmt. Bei Testosteron ist es ähnlich. Das Testosteron wird im weiteren Verlauf zu Östrogen umgebaut und schützt dadurch den Knochen. Beim Mann tritt aber auch im höheren Lebensalter ein Rückgang des Östrogenspiegels ein, was den Knochenabbau fördert. Sinkt die Knochendichte unter die sogenannte Frakturschwelle, entstehen schon bei leichten Stürzen Brüche. Dies führt dazu, dass jede dritte Frau und jeder fünfte Mann im Laufe seines Lebens einen osteoporotischen Bruch erleiden wird.

Woher weiß ich denn, ob ich eine Osteoporose habe? Wie lässt sich die Erkrankung feststellen? 

Prof. Liener: Generell gilt, dass ab einem Alter von 70 Jahren die Knochengesundheit durch eine Knochendichtemessung überprüft werden sollte. Diese bezahlt auch die Krankenkasse. Liegen Risikofaktoren vor – zum Beispiel Diabetes oder rheumatoide Arthritis, neurologische Erkrankungen wie Parkinson, Demenz oder Schlaganfall – oder werden Medikamente eingenommen wie Cortison, Psychopharmaka oder etwa einen Magenschutz, oder wenn bereits ein Knochenbruch aufgetreten ist, sollte bereits ab 50 Jahren die Knochendichte überprüft werden. Dies gilt insbesondere für Patienten mit Brustkrebs oder Prostatakarzinom, die Hormonblocker erhalten.

Worauf sollten Menschen mit Osteoporose besonders achten?

Prof. Liener: Generell ist eine knochengesunde Lebensweise empfehlenswert, das heißt kein Untergewicht, man sollte nicht rauchen, moderat Alkohol und Kaffee zu sich nehmen. Kalzium sollte man über die Nahrung zu sich nehmen, Vitamin D als Tablette oder Öl. Es gibt da die sogenannte Tausender-Regel: 1000 Milligramm Kalzium am Tag – zum Beispiel mit kalziumreichem Mineralwasser oder Käse – und 1000 Einheiten Vitamin D. Und dann ist natürlich noch körperliches Training wichtig, das hat einen positiven Einfluss auf die Knochendichte. Man sollte Kraft, Ausdauer, Balance und Koordination trainieren. Dabei sollte man das Skelett belasten, also zum Beispiel mit zügigem Walken, Ballsportarten oder kraftorientiertem Tai-Chi. Weniger gut ist Aqua-Gymnastik, weil man hier das Skelettsystem nicht so belastet. Am besten geht man in ein Fitness-Studio und lässt sich ein individuelles Trainingsprogramm erstellen. Es wird auch oft nach dem Effekt von Rüttelplatten gefragt. Hier muss man aber sagen: Rüttelplatten können das Training unterstützen, aber nicht ersetzen.

Ab welchem Moment sollten im Falle einer Osteoporose Medikamente zum Einsatz kommen?

Prof. Liener: Da gibt es genaue Vorgaben entsprechend der Leitlinie. Wenn die Knochendichte unter einen gewissen Wert gesunken ist oder wenn gewisse Risikofaktoren vorliegen. In diesem Fall wird die Osteoporose mit spezifischen Osteoporose-Medikamenten behandelt. Diese Medikamente sind sehr effektiv und können die Knochendichte wieder aufbauen und dadurch Knochenbrüche verhindern. Es hält sich hartnäckig das Gerücht, dass Osteoporose-Medikamente nicht gut verträglich seien. Hier muss man aber sagen, dass weit über 90 Prozent derer, die Osteoporose-Medikamente einnehmen, diese sehr gut und ohne Nebenwirkungen vertragen. Und wenn Nebenwirkungen auftreten, kann man auf andere Präparate wechseln. Osteoporose-Medikamente bauen den Knochen nicht nur wieder auf, sie reduzieren auch das Risiko einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Auch eine Tumorentstehung ist seltener bei Patienten, die eine Osteoporose-Therapie bekommen.

Wie kann man einer Osteoporose denn vorbeugen?

Prof. Liener: Indem ich mich in der Phase, in der die Skelettmasse aufgebaut wird – also bis zu einem Alter von 30 Jahren – viel bewege. Deshalb ist es ein großes Problem, wenn Kinder übergewichtig sind. Denn diese Kinder bewegen sich zu wenig und bauen zu wenig Muskel- und Knochenmasse auf. Bewegung ist auch nach dem 30. Lebensjahr wichtig zur Vorbeugung. Denn das Skelett wird dauernd umgebaut. Und durch Bewegung kann ich dem Knochen- und Muskelabbau entgegenwirken. Außerdem sollte man auf eine ausgeglichene, kalzium- und proteinreiche Ernährung achten.

An wen sollten sich Betroffene wenden, bei denen eine Osteoporose diagnostiziert wurde? Wo finde ich einen Spezialisten?

Prof. Liener: Menschen mit einer Osteoporose sollten sich auf jeden Fall einen Arzt suchen, der schwerpunktmäßig Osteoporose behandelt. Viele der niedergelassenen Orthopäden sind hier geeignete Ansprechpartner. Und dann gibt es noch osteologische Schwerpunktzentren, also Zentren für Osteoporose und Knochengesundheit, wie wir hier am Marienhospital in Stuttgart eines betreiben. 

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