Mutter cremt ihre Tochter am Strand mit Sonnencreme ein.

Interview zum Thema Hautkrebs

„Hautschäden aus der Kindheit kann man nicht rückgängig machen!“

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Weit mehr als 200.000 Menschen in Deutschland erkranken jedes Jahr an Hautkrebs. Damit ist der Hautkrebs die häufigste Krebserkrankung. Wir haben mit der Dermatologin Dr. Martina Ulrich aus Berlin über die Ursachen, Behandlungsmöglichkeiten und die richtige Vorsorge gesprochen.

Im Interview:

Dr. med. Martina Ulrich
Fachärztin für Dermatologie

Frau Dr. Ulrich, die Zahl der Hautkrebserkrankungen steigt Statistiken zufolge stetig an, obwohl ja eigentlich bekannt ist, dass man sich beim Sonnen eincremen sollte. Wie kommt das?

Dr. Martina Ulrich Die Hautkrebserkrankungen, die wir heute bei unseren Patienten sehen, sind häufig das Resultat von Schäden, die vor vielen Jahren passiert sind, in den 1970er-, 80er-Jahren oder noch früher. Das Problematische ist: Hautschäden, die in der Kindheit oder Jugend aufgetreten sind, kann man nicht mehr rückgängig machen. In den 70er- und 80er-Jahren war die Einstellung zum Umgang mit Sonnenstrahlung noch eine ganz andere: Es gab nur Sonnencreme mit geringem Lichtschutzfaktor von 4 oder 6 und diese wurden dann auch nicht zur Vermeidung von Hautkrebs verwendet, sondern um die Bräunungszeit zu verlängern, ohne einen schmerzhaften Sonnenbrand zu bekommen. Das war ein ganz anderer Ansatz als heute. Aber wir sehen nicht nur Hautkrebspatientinnen und -patienten, die die 1950er, 60er und 70er noch aktiv „mitgemacht“ haben – leider tritt auch bei jüngeren Menschen immer häufiger Hautkrebs auf und somit in einem Lebensalter, wo viele Betroffene an eine Hautkrebserkrankung noch gar nicht denken.

Wie häufig treffen Sie in Ihrer Praxis auf Fälle von Hautkrebs oder auf gefährliche Vorstufen?

Dr. Martina Ulrich Praktisch jeden Tag. Der helle Hautkrebs, also Basalzellkarzinome oder Plattenepithelkarzinome, ist in Europa die häufigste Krebsart des Menschen überhaupt. In vielen Fällen finden wir diese Tumoren, wenn Patienten zum Routine-Screening in meine Praxis kommen. Der helle Hautkrebs ist meistens ein Zeichen dafür, dass die Leute dauerhaft zu viel in der Sonne waren. Dabei geht es gar nicht unbedingt um Menschen, die sich zum Bräunen in die Sonne legen. Vielmehr findet man deutlich erhöhte Hautkrebszahlen bei Leuten, die entweder berufsbedingt oder in ihrer Freizeit viel im Freien sind – also viele Dienstleistungs- und Handwerksberufe sowie Beschäftigte im Baugewerbe oder eben (Wasser)-Sportler, Hobby-Gärtner und andere. Aber auch die Neuerkrankungszahlen des sogenannten „schwarzen“ Hautkrebs, also das maligne Melanom, das im Gegensatz zum Plattenepithelkarzinom eher mit kurzfristiger und sehr intensiver Sonnenexposition – etwa beim Sonnenbaden oder häufigen Solariumbesuchen – zusammenhängt, nimmt ebenfalls zu.

Und wie entwickeln sich die Erkrankungszahlen generell in Deutschland?

Dr. Martina Ulrich Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass die Zahlen neuerkrankter Hautkrebspatienten über alle Bevölkerungsgruppen zulegen: 2007 hatten wir etwa 144.00 Fälle von Hautkrebs-Neuerkrankungen in Deutschland, 2015 waren es schon 224.000 Fälle und das Robert-Koch-Institut prognostiziert von 2020 auf 2030 eine Verdopplung der Hautkrebs-Ersterkrankungszahlen. Anhand solcher Zahlen kann man die Dynamik auch in meiner Hautarztpraxis in Berlin schon sehr gut nachvollziehen.

Wo liegen denn die Unterschiede zwischen dem hellen oder weißen Hautkrebs und dem schwarzen Hautkrebs? Und wodurch entstehen die Krebsarten?

Dr. Martina Ulrich Die beiden Krebsarten entstehen aus vollkommen unterschiedlichen Zellen. Die verschiedenen Formen des weißen Hautkrebses entstehen in den so genannten Keratinozyten, das sind die hornbildenden Zellen in der oberen Hautschicht. Übrigens ist der weiße Hautkrebs gar nicht weiß, sondern sieht eher rot oder schuppig aus. Man nennt ihn daher auch hellen Hautkrebs – im Gegensatz zum schwarzen. Der schwarze Hautkrebs entsteht aus den Pigmentzellen der Haut, den sogenannten Melanozyten. Auch das Verhalten der beiden Arten ist unterschiedlich. Der weiße Hautkrebs ist häufig wesentlich weniger aggressiv, streut nicht so schnell im Körper und wächst eher lokal, während der schwarze Hautkrebs bereits frühzeitig dazu neigt sich zu metastasieren und man auch eher daran versterben kann.

Wie gut sind die Heilungschancen bei Hautkrebs, gerade bei einem malignen Melanom, also bei schwarzem Hautkrebs?

Dr. Martina Ulrich Die sind bei beiden Krebsarten sehr gut, sofern man sie frühzeitig erkennt. Solange nur die oberste Hautschicht betroffen ist, lässt sich auch schwarzer Hautkrebs gut entfernen und der Krebs ist dann auch geheilt. Als Grenzwert für das Einwachsen in die Haut spricht man von einem halben bis maximal einem Millimeter. Je weiter das Melanom in die Tiefe wächst und die Membran zwischen der oberen Hautschicht und dem Bindegewebe durchbricht, kann es auch streuen, weil die Tumorzellen dann auch die Blut- und Lymphgefäße erreichen. Dass ein heller Hautkrebs sehr schnell nach unten in die Haut hineinwächst, ist eher selten. Die meisten hellen Hautkrebsformen wachsen bei Menschen mit einer ausreichenden Abwehrleistung des Körpers eher langsam.

Was heißt das? Wie schnell breitet sich ein schwarzer Hautkrebs normalerweise aus?

Dr. Martina Ulrich Bei einem Melanom, also einem schwarzen Hautkrebs, geht man davon aus, dass er etwa 0,1 Millimeter pro Monat wächst. Ich sage meinen Patienten daher immer, wenn sie einmal im Jahr zur Kontrolle kommen, kann ihnen nicht viel passieren. Selbst wenn der Hautkrebs in dem Moment entsteht, in dem sie meine Praxis verlassen, dann ist er ein Jahr später etwa einen Millimeter tief. Eine frühere Diagnose wäre zwar sicherlich viel besser und die Operation und Nachversorgung auch deutlich einfacher, aber man kann so einen Tumor dennoch noch gut behandeln.

Und wie steht es um die Heilungschancen, wenn der Krebs schon weiter fortgeschritten ist?

Dr. Martina Ulrich Inzwischen sind viele Fälle des schwarzen Hautkrebses auch im fortgeschrittenen Stadium deutlich besser therapierbar, als das noch vor zehn Jahren der Fall war. Sogar Heilungserfolge sind jetzt in vielen Fällen möglich und das sogar dann, wenn das Melanom schon gestreut hat. Als ich als Ärztin meine Ausbildung angefangen habe, war das noch ganz anders. Damals sind noch viele Patienten trotz Therapie verstorben. Heute gibt es sogenannte zielgerichtete Therapien, mit deren Hilfe man gezielt wesentliche Tumormutationen blockieren kann sowie moderne Immuntherapien, für die im Jahr 2018 aufgrund ihrer Wirkung auf den schwarzen Hautkrebs sogar der Medizin-Nobelpreis verliehen wurde. Die mit solchen Therapien zu erzielenden Ansprechraten und Behandlungserfolge sind wirklich ein Durchbruch, zumal die Therapien selber im Vergleich zu den alten Chemotherapien früherer Zeiten auch meistens gut vertragen werden und den Patienten eine hohe Lebensqualität sichern.

Worauf sollte man achten, um das Hautkrebsrisiko so gering wie möglich zu halten? Und welche Personengruppen müssen besonders vorsichtig im Umgang mit der Sonne sein?

Dr. Martina Ulrich Hierzulande haben nach wie vor die meisten Menschen eine helle Haut und damit ein gewisses Risikopotential im Umgang mit der Sonne, egal ob sie dunkle Haare haben oder blonde. Deshalb sollte prinzipiell jeder bewusst mit der Sonne umgehen. Die Zeiten, in der die Sonne besonders intensiv scheint, also um die Mittagszeit, sollte man meiden. Außerdem sollte man sich angewöhnen, sich jeden Morgen das Gesicht, die Ohren, die Hände und Unterarme einzucremen, also die Stellen, die der Sonne ausgesetzt sind. Für das Gesicht kann man auch gut eine Tagescreme mit Lichtschutzfaktor verwenden. Besondere Schutzprogramme gibt es natürlich auch für Menschen, die überwiegend unter freiem Himmel arbeiten – hier ist der Arbeitgeber seit einigen Jahren sogar verpflichtet, geeignete Sonnenschutzmittel kostenlos zur Verfügung zu stellen. Wichtig ist es auch, an die empfindliche Kinderhaut zu denken. Sie ist besonders dünn und hat wenig Eigenschutz gegenüber Sonnenstrahlen. Ganz kleine Kinder gehören aus meiner Sicht überhaupt nicht in die pralle Sonne. Und wenn Kinder zum Beispiel in der Kita im Garten oder auf dem Spielplatz spielen, dann am besten unter einem zertifizierten, also UV-strahlungsdichten Sonnensegel. Und man sollte auf die geeignete Kleidung achten und die Kinder natürlich mit geeigneten Sonnencremes in ausreichender Dosierung sorgfältig und regelmäßig eincremen. Im Zweifelsfall hilft es hier sogar zweimal hintereinander einzucremen – doppelt schützt besser.

Wie kann man einem Hautkrebs – neben dem richtigen Eincremen – noch vorbeugen?

Dr. Martina Ulrich Eine gesunde Lebensweise, also eine gesunde, vitaminreiche Ernährung, nicht rauchen und nicht zu viel Alkohol trinken, ist immer eine gute Vorbeugung – übrigens für alle Krebsarten. Aber die Sonne ist beim Hautkrebs schon der wichtigste Faktor. Außerdem denke ich, sollte man auf sich und seine Mitmenschen achten, denn anders als Tumorerkrankungen innerer Organe, kann man Hautkrebs frühzeitig sehen. Immer öfter schicken mir beispielsweise Friseure ihre Kunden, wenn sie an deren Kopfhaut etwas entdecken, das wie Hautkrebs aussehen könnte. Das Bewusstsein Hautkrebs ernst zu nehmen und frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, scheint insgesamt gestiegen zu sein und das ist natürlich eine positive Entwicklung.

Und was empfehlen Sie in puncto Vorsorge?

Dr. Martina Ulrich Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für das Hautkrebsscreening alle zwei Jahre für Menschen über 35 und das sollte man auch unbedingt wahrnehmen. Wer besonders hautkrebsgefährdet ist – wer also zum Beispiel viele Sonnenbrände hatte, viele Muttermale am Körper, ein geschwächtes Immunsystem oder ein Familienmitglied mit Hautkrebs hat – sollte sich überlegen, eventuell öfter zum Screening zu gehen und das vielleicht auch selbst zu bezahlen. Auch eine erweiterte Diagnostik – in meiner Praxis verwende ich zum Beispiel moderne Techniken, mit deren Hilfe man in die Haut quasi „hineinschauen“ kann, ohne eine Probe rausschneiden zu müssen –, aber auch die klassische Dermatoskopie, die jeder Hautarzt anbietet, lohnt sich für die Patientinnen und Patienten eigentlich immer. Am besten bespricht man das individuelle Risiko mit dem Hautarzt und lässt sich hinsichtlich eines Vorsorgeplanes beraten. So kann man dann auch den Sommer wieder sorgenfrei genießen.

Tipp:

Mehr zum Thema Hautkrebs-Screening und zu weiteren Vorsorgeuntersuchungen finden Sie auch hier.

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