Hände gut, alles gut

Ob Körperpflege, Autofahren oder Gemüseschneiden – für die meisten Tätigkeiten benutzen wir unsere Hände. Entsprechend wichtig ist es, dass die Hände ein Leben lang gesund bleiben. Wir haben mit dem Handchirurgen, Orthopäden und Buchautor Dr. Michael Lehnert darüber gesprochen, wie man seinen Händen etwas Gutes tun kann.

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Herr Dr. Lehnert, als Handchirurg haben Sie tagtäglich mit kranken oder verletzten Händen zu tun. Achten wir aus Ihrer Sicht allgemein zu wenig auf unsere Hände?

Die Menschen achten tatsächlich kaum auf ihre Hände. Viele Patienten kommen zu mir und sagen, sie hätten gar nicht damit gerechnet, dass zum Beispiel ein Daumen sie so sehr behindert, nur weil er geschwollen ist, steif ist oder eine Schnittverletzung hat. Denn das kann einen schon sehr einschränken. Versuchen Sie mal – auch mit einem gesunden Daumen – eine Hose zuzuknöpfen, ohne dazu die Daumen zu verwenden. Dann werden Sie schnell feststellen: Das geht eigentlich gar nicht. Und viele Erkrankungen, die im Laufe des Lebens auftreten – und da spreche ich nicht von Verletzungen, sondern zum Beispiel von degenerativen Erkrankungen – treten früher auf, weil wir vorher nichts für unsere Hände getan haben.

Welche Erkrankungen können das denn sein?

Ein klassisches Beispiel ist die Abnutzung der Gelenke. Zwar ist ein Gelenk, das sich im natürlichen Rhythmus des Lebens abnutzt, weil wir es ja tagtäglich gebrauchen, erst mal nichts Außergewöhnliches. Wir werden immer älter, also werden auch die Gelenke immer mehr beansprucht. Aber ein Gelenk, das muskulär gut geführt ist, also von den Muskeln gut stabilisiert wird, kommt mit einer solchen Abnutzung wesentlich besser zurecht. Auch, wenn Sie zum Beispiel am Knie eine Kniegelenksarthrose haben, haben Sie weniger Beschwerden, wenn die Muskulatur das Gelenk stabilisiert.

Das heißt also, wir sollten unsere Hände und die Muskulatur regelmäßig trainieren?

Genau, zum Beispiel sollten wir darauf achten, dass unsere Hände im täglichen Leben wirklich bewusst gebraucht werden und wir in beiden Händen Kraft aufbauen. Wir müssen unsere Hände tatsächlich trainieren. Denn den Händen wird heute immer mehr Arbeit abgenommen. Wir haben eine elektrische Jalousie, wir haben ein Auto, dass sich per Knopfdruck öffnen lässt und so weiter. Der normale Gebrauch der Hände geht immer mehr zurück und damit schwindet auch die Muskulatur. Viele Menschen wissen auch gar nicht, dass wir in der Hand viele Muskeln haben. Wenn die Hand zum Beispiel durch einen Gips mal ruhiggestellt ist, wird vielen überhaupt erst gewahr, was es bedeutet, wenn Muskeln durch die Ruhigstellung verkümmern. Denn dann habe ich ein echtes Bewegungsproblem.

Gibt es denn spezielle Übungen, mit denen ich meine Hände trainieren kann?

Ja, die gibt es. Zum Beispiel gibt es ein Übungsprogramm fürs Homeoffice, das ich auch in meinem Buch „Hände gut, alles gut“ beschrieben habe. Wichtig ist, dass wir Übungen machen, die unserer täglichen Routine entgegenstehen. Das heißt, wenn ich zum Beispiel hauptsächlich mit der Tastatur schreibe und auch nur diese typischen eingeschränkten Bewegungen an der Maus mache – das sind ja immer nur Mikrobewegungen – dann muss ich zum Ausgleich quasi genau das Gegenteil machen. Ich muss meine Hände bewusst weit aufspreizen, die Finger in die extremsten Beugungen bringen, indem ich sie zu einer kleinen oder großen Faust balle. Und ich muss versuchen meine Finger einzeln zu bewegen. Wichtig ist, die Bewegungen von Händen und Fingern wieder in ihre Grenzbereiche zu bringen und sie nicht in diesem eingeschränkten Bewegungsbereich des täglichen Lebens verharren zu lassen.
In Ihrem Buch sprechen Sie auch von gewissen „Gefahren“ für die Hände, eine davon ist beispielsweise das Smartphone. Weshalb ist das Smartphone für die Hände gefährlich?
Im Vergleich zu den Handys, die man früher hatte, sind die Smartphones ja fast schon kleine Tablets, sie sind also verhältnismäßig schwer. Außerdem müssen wir, um den gesamten Bildschirm zu erreichen, den Daumen zuweilen in Extrempositionen bringen, für die die Daumengelenke gar nicht ausgelegt sind. Das heißt, wir bewegen uns in Bewegungsbereichen, wo der Daumen gar nicht hingehört. Und das führt zu einer Reizung des Gelenks, zu einer Überlastung der Sehnen und Gelenkkapseln und auch zu Schmerzen in den Gelenken. Es ist mittlerweile so, dass Patienten in meine Sprechstunde kommen und von sich aus sagen, sie haben einen Handydaumen. Und das ist auch tatsächlich so. Denn viele Menschen benutzen ihr Smartphone mit einer Hand. Wenn man es in zwei Händen hält und in der Lage ist, mit beiden Daumen zu schreiben, ist das einfacher und auch nicht so problematisch für die Daumen.

Auch Katzen stellen in gewisser Weise eine Gefahr für die Hände dar. Inwiefern?

Natürlich sind Katzen erst mal etwas Niedliches, aber sie beißen uns gelegentlich. Und Katzen haben extrem spitze und scharfe Zähne, die in unserer Hand nur eine ganz kleine Verletzung hinterlassen, die oftmals gar nicht blutet. Aber durch den schnellen Einstich des scharfen Zahnes gelangen trotzdem massenhaft Bakterien durch die Haut in unsere Hand. Oft nimmt der Betroffene eine solche Verletzung gar nicht als dramatisch wahr. Aber schon einen Tag später kann sich eine so starke Infektion bilden, dass die Hand häufig sogar operiert werden muss. Deshalb sollte man solche kleinen Wunden unbedingt desinfizieren und gut beobachten. Und wenn die Stelle nach kurzer Zeit anschwillt oder heiß wird, sollte man nicht bis zum nächsten Morgen warten, sondern direkt zum Arzt gehen. Der verschreibt dann häufig Antibiotika gegen die Entzündung.

Haben Sie sonst noch Tipps, die man im Alltag beherzigen sollte, um die Hände gesund zu erhalten?

Man sollte auf die Geschmeidigkeit der Hände achten. Denn unsere Hände, insbesondere die Handinnenflächen, besitzen eine schützende Hornschicht. Wenn die Hornschicht aber zu dick und rissig wird und dadurch keine ausreichende Schutzbarriere gegen Bakterien und andere äußere Einflüsse bietet, kann das die Hände krank machen. Deswegen sollten wir versuchen unsere Hände wirklich zu pflegen, gerade in Zeiten wie diesen, in denen wir häufig Hände waschen und die Hände desinfizieren. Am besten macht man das mit einer Creme, die die Haut nicht austrocknet und ihren natürlichen Säureschutzmantel aufrechterhält. Außerdem sollte man gut aufpassen, wo man seine Hände hinlegt oder hinstreckt. Denn es kommt gar nicht so selten vor, dass Menschen sich den Finger zum Beispiel in der eigenen Autotür einklemmen. Und das hat einfach etwas mit Unachtsamkeit zu tun. Ich glaube, wir haben viel gewonnen, wenn wir uns – auch bei unseren Händen – etwas mehr in Achtsamkeit üben.

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